Tag 1-4: Von Cape Reinga nach Ahipara

Tag 1: Erst mal ankommen um loszukommen
Datum: 12.11.2016
Start: Cape Reinga (Trail km 0)
Ziel: Twilight Camp (Trail km 12,5)

Es gibt zwei, drei Anbieter, die Bustouren von Kaitaia den Ninety Mile Beach entlang nach Cape Reinga und wieder zurück anbieten. Wenn man es nicht wie viele unserer gestrigen Busgenossen per Anhalter versuchen will, ist das die einzige Möglichkeit ganz nach Norden zu kommen. Weil wir den Trip ja nur „one way“ brauchen, bezahlen wir aber fairerweise auch nicht den vollen Preis.

Der Bus von Sand Safaris sammelt uns pünktlich um 8:45 am Motel auf. Wir erfahren nun auch endlich, dass der Hinweg glücklicherweise über die Straße geht und erst die Rücktour den für Autos und die speziellen Busse befahrbaren Strand entlang gehen soll. Es wäre auch irgendwie blöd gewesen, den Weg den man in vier Tagen laufen will, vorher schon mal in wenigen Stunden mit dem Bus hoch gebrettert zu sein.

So oder so ist einiges an der Bustour noch nicht ganz klar. Es gibt auf den ca. 100km nach Cape Reinga noch einige Zwischenstops an verschiedenen Stränden und sehenswerten Buchten aber weil so viele Tourbusse unterwegs sind und weil auch das Wetter so wechselhaft ist, entscheidet unser Busfahrer ständig hin und her was als nächstes angesteuert werden soll. Auf dem Programm stehen nämlich noch das Mittagessen, Sandboarding in den Dünen und schließlich das Cape Reinga.

Sein Entschluss vor dem Mittagessen zunächst zum Sandboarding zu fahren schmeckt uns dann so gar nicht weil wir erstens keine Lust haben daran teilzunehmen (wer will schon 12,5 km mit Sand in der Buxe wandern !?) und zweitens, weil wir viel später loskämen und gegen die hereinkommende Flut und den Sonnenuntergang anrennen müssten um noch im Twilight Camp anzukommen.

Nach dem Mittagessen ist es dann an den Dünen wohl schon so voll, dass sich der Unentschlossene wiederum umentscheidet. Dieses Mal final und zu unseren Gunsten: Es geht jetzt endlich zum Cape Reinga!

Es ist schon ein eigenartiges Gefühl, dass das Ziel auf das man sich seit über einem Jahr gefreut hat, nur noch einige Kilometer entfernt ist. Man erinnert sich an all die Fotos der anderen Wanderer vom Trail Start aus den Blogs, die man gelesen hat: Der ikonische Leuchtturm von Cape Reinga, der Wegweiser. Jetzt stehen wir selbst dort, schießen genau diese Fotos und setzen unseren ersten von hoffentlich vielen Millionen Schritten…

Dieser Platz ganz im Norden hat für die Ureinwohner Neuseelands, die Maori, eine große spirituelle Bedeutung: Die Seelen ihrer Verstorbenen reisen nach Cape Reinga um dort auf ihrer Reise ins Jenseits das Festland zu verlassen. Auf den vorgelagerten Three Kings Islands blicken sie ein letztes Mal zurück auf Aotearoa (Neuseeland), um dann endgültig in die Unterwelt und ihre tradionelle Heimat Hawaiki hinabzusteigen. Außerdem treffen bei Cape Reinga der Pazifik und die Tasmansee zusammen. Man sieht, wie die gegenläufigen Wellen übereinanderschwappen und wie sich die unterschiedlichen Blautöne des Wassers vermischen.

An der Spitze steht das Lighthouse und ein Wegweiser, der die Entfernungen zu allen möglichen Orten angibt, u.a. auch nach Bluff, dem Ziel unserer Reise. Luftlinie „nur“ 1452 km, für uns zu Fuß 3000. Natürlich haben wir die üblichen Fotos geschossen und dann geht’s los: um 13:30 Uhr machen wir den ersten Schritt unserer hoffentlich langen Reise. Das Ziel: Twilight Camp am Ende vom Twilight Beach – 12km als Aufgalopp für einen halben Tag. Das Wetter meint es gut mit uns: Es ist ein sehr windiger aber sonniger Tag.

IMG_1203.JPGDie Busse sind besonders leicht gebaut – zum Befahren des „90 Mile  Beach“

IMG_1204.JPGCape Reinga mit dem ikonischen weißen Leuchturm: Endlich!

IMG_1109.JPGAm Startpunkt angekommen und hochmotiviert!

IMG_1206.JPGDer erste Wegweiser und der Blick auf den Twilight Beach

IMG_1211.JPGEndlich unterwegs!

IMG_1165.JPGAngekommen am Twilight Camp – inklusive aller Wanderer aus dem Bus von Auckland.

Tag 2: Strand, Strand, Strand
Datum: 13.11.2016
Start: Twilight Camp (Trail km 12,5)
Ziel: The Bluff (Trail km 40)

In der Nacht ist Arni Ihrem ersten, lebendigen Opossum gegenübergetreten: „Nachdem es zunächst über meine Füße gehuscht ist, hat es mir dann noch meinen angestrebten Ort versperrt: Das Toilettenhäuschen. Alle Laute und Gesten halfen nix. Das Vieh blieb, wo es war. :/

Ironischerweise trägt das Ziel für diesen Tag den gleichen Namen, wie das Ende des Trails: (The) Bluff (zu deutsch: Das Kliff). Wir sind ausgeruht und starten unseren Tag um 7:30 Uhr, fast wie in Deutschland, mit allem, was dazu gehört: Kaffee, Müsli und Milch. Nachdem alles wieder verstaut ist, brechen wir um ca. 8:30 Uhr auf. Die Amerikaner Kat, Matt und Jeff, sowie Vivian aus Holland und Jeremy aus Australien sind bereits unterwegs. Ein englisches Pärchen (Joel und Grace) sowie Pauline sind noch am Camp.

Bei uns läuft es ganz gut. Wir kommen gut voran und machen das erste Mal nach 2 Stunden eine Pause. Die Wellen und der Strand sind malerisch: Das Wasser wechselt von türkis zu azurblau und der Sand glitzert. Er ist so fein, dass er als erste Wahl zur Herstellung von Glas gehandelt wird. Die Sonne scheint und ist dabei sehr intensiv, somit ist es für uns besser, langarm zu tragen und unser Gesicht regelmäßig einzucremen. Ab und an begegnen uns einige ausgetrocknete Fische, die die Flut zurückgelassen hat. Auf der anderen Seite blicken wir in eine breite Dünenlandschaft.

3 Stunden (ca. 15km) weiter sind wir ziemlich kross und (was Arni angeht) ziemlich am Limit. Die letzten 10km treiben es dann fast auf die Spitze: Alles schmerzt. Beine, Füße, Rücken und Schultern verschmelzen zu einem Klumpen. Wir können also unser Glück kaum fassen, als wir um die letzte Kurve biegen und den schönen Campingplatz mit Dusche, Toiletten und Wasserversorgung sehen. Florian stellt das Zelt auf, breitet die Luftmatratzen und Schlafsäcke aus, während Arni ihre Füße an die Luft hält, die nach diesem Tag aus mehr Blasen als Fußsohle bestehen.

Nach der kalten Dusche gibt es dann das beste Essen der Welt (so schmeckt es zumindest): Italienische Salami, Käse, Brot und Hummus mit gerösteten Zwiebeln. Weil wir davon geschätzte 3kg besitzen und den nächsten Tag nicht noch einmal überladen starten wollen, machen wir daraus ein Happening und laden alle unsere neu gewonnenen Freunde zu unserem Mini-Buffet ein. Gerade bei Jeff, der ultraleicht unterwegs ist und sein eintöniges, mit Sonnenstrahelnen gegartes Essen aus Plastikbeuteln zu sich nimmt, sieht man quasi Weihnachten in seinen Augen!

Als wäre das noch nicht genug, taucht plötzlich ein Auto auf, an dem ein Hinweis angebracht ist: Cold Drinks 3 Dollar. Heute IST Weihnachten! Aus dem Wagen steigen Stephen (an späterer Stelle mehr zu ihm) und ein durchgeknallter, singender Franzose, der mit seiner Art und seinem Lifestyle Bob Marley ähnelt. Stephen ist eine Art Trail-Angel, der Wanderer mit allem Nötigen und auch Unnötigen versorgt. Nur ist er dabei kein guter Geschäftsmann: Da er meistens wenig oder nicht ausreichend Wechselgeld zur Hand hat, machen wir gute Geschäfte. Teilweise verschenkt er seine Waren sogar. Es mag aber auch einfach daran liegen, dass er ein großes Herz für krosse, blasengeplagte Wanderer hat. Wir sitzen an diesem Abend noch lange zusammen und planen den nächsten Tag zum Utea-Park.

img_1170Auf dem Weg zum 90 Mile Beach

img_1153Vor der Salami ist nach der Salami

img_1151Camp The Bluff

img_1156Pauline und Arni

 

Tag 3: Noch mehr Strand, Strand, Strand
Datum: 14.11.2016
Start: The Bluff Campside (Trail km 40)
Ziel: Utea Park (Trail km 70)

Wir wachen um 6:30 Uhr auf und starten etwas lädiert in den Tag. Nach der Morgenroutine wird das Knie mit Mobilat versorgt und die Blasen mit Compeed Pflastern bedeckt. In ihre Wanderschuhe kommt Arni trotzdem nicht, die Hacken machen nicht mit. Wie gut, dass man hier noch auf die Wandersandalen zurückgreifen kann. Dann gehts weiter. Wir kommen wieder einmal gut voran, machen die erste Pause nach ca. 2 Stunden und setzen uns in den Sand. Das Wetter ist deutlich angenehmer. Vor die Sonne schieben sich alle paar Minuten einige Wolken, sodass wir heute schonend gegart werden.

Aber nach gut der Hälfte der Tageskilometer (ca. 15km) schmerzen wieder einmal alle zur Verfügung stehenden Glieder. Also werden die Pausen häufiger, die Schritte immer beschwerlicher, das Gepäck schwerer und der Weg länger… Zudem wissen wir nun, warum der 90 Mile Beach auch als Hürde für den Kopf gesehen wird: Der schöne Strand fängt an zu nerven. Keine Abwechslung, keine Veränderung. Nix Neues eben! Keine guten Voraussetzungen, um den Tag heute motiviert zu überstehen. Aber: Wenn wir uns bei diesen Gedanken erwischen, stellen wir uns sofort vor die Wahl, den Tag auch wieder im Büro verbringen zu können. Also: Durchhalten!

Da uns irgendwann auch der aktuelle Gesprächsstoff über Gewichtsoptimierung, allgemeinen Wehwehchen und deren Behandlungsmethoden ausgeht, entscheiden wir uns dazu, mal den mp3-Player herauszuholen und siehe da: Bähm! Mit Musik geht alles viel leichter! Während Flo noch zum „Medicus“ vor sich hin watschelt, ist Arni dank „100 Running Songs“ locker 500m weiter vorn. Der Zufall wollte es, dass sich in die Playlist des Medicus, ein Song aus der Running-Playlist geschlichen hatte und Schwupps! Flo und Arni waren wieder auf einer Höhe: weg- und motivationstechnisch!

Dass die restlichen Kilometer nicht spielend vorübergehen, ist uns klar, aber alles in allem haben wir eisern durchgehalten und treffen gegen 17:30 Uhr im Utea-Park ein. Arni’s Füße sind nach diesem Tag komplett hinüber. Wir mieten uns eine Cabin, weil keiner von uns heute Lust hat, das Zelt aufzustellen. Am Abend können wir die erste warme Dusche seit Tagen nehmen (Jipiiiiiee) und haben die Möglichkeit, Essen in der Gemeinschafts-Küche zu kochen. Es gibt Nudeln in 4 Käse Sauce mit Weißwein und Salami – lecker!!

Und siehe da – Stephen gesellt sich an dem Abend noch zu uns und bringt, wieder einmal für umsonst, leckere Blaubeeren und Blaubeer-Muffins mit. Wir unterhalten uns noch etwas, sind aber allesamt reif für’s Bett. Viele von den Wanderern, die mit uns gestartet sind, haben mittlerweile Beschwerden. Einige, wenige Erfahrene kommen ohne die typischen Wehwehchen aus.

img_1172img_1173img_1174img_1097img_1176img_1175

Tag 4: Rien ne vas plus – Nichts geht mehr
Datum: 15.11.2016
Start: Utea Park (Trail km 70)
Ziel: Ahipara (Trail km 102)

…oder aber: Bei Arni geht nichts mehr. Die Blasen haben sich in den letzten 30 km auf wundersame Weise vermehrt. Ein Weiterlaufen wäre keine kluge Idee, aber unsere Lodge für den heutigen Abend ist bereits gebucht, somit müssen wir es in jedem Fall  bis Ahipara schaffen… Nur wie?!

Unser Glück heisst Stephen und sitzt gut gelaunt am Frühstückstisch. Er bietet uns an, uns bis nach Ahipara zu bringen, mehr noch: Sogar mit uns einkaufen zu fahren bis nach Kaitaia. Wir nehmen das Angebot dankend an, verabschieden uns von den anderen, die nach diesem Tag ebenfalls 2 Ruhe-Tage (Zero-days) geplant haben und fahren los.

Unterstützt von dramatischen Musical-Hits (Stephen ist absoluter Musical-Fan) fahren wir zum Pack ’n Save, wo wir uns für die nächsten Tage eindecken können. Anschließend bringt Stephen uns zur Endless Summer Lodge, in der wir die nächsten 3 Tage verbringen werden. Der Tag wird ruhig verbracht. Wir schlafen viel und ruhen uns aus, aber ein bisschen enttäuscht über den Knick am dritten Tag, sind wir schon.

img_1125img_1124img_1181img_1135img_1133img_1130img_1126img_1180img_1177

 

 

 

Hinterlasse einen Kommentar